Manifest zur Rettung der Luzerner Fasnacht

Manifest zur Rettung der Luzerner Fasnacht (1993)

Die drei Luzerner Fasnachtstage haben sich in den letzten Jahren mächtig entwickelt – leider nicht in qualitativer, dafür um so mehr in quantitativer Hinsicht. Die Luzerner Fasnacht ist ein Mega-Ereignis geworden, das zunehmend in den Fremdenverkehr eingebunden wird.
Die Luzerner Fasnacht droht, an diesem Mengenwachstum zugrunde zu gehen; zumindest gilt dies für den Witz, die Originalität, die Kreativität. Die urwüchsige Poesie, die feinen Schwingungen der Einzelmasken, die hintersinnigen Regungen der Intrigierenden – dies alles wird immer gründlicher zugedeckt von einer lauten Uniformität. Die Guuggenmusigen, die doch eigentlich seit Ende der Vierziger-Jahre die Fasnacht wieder belebt und die es in den Siebziger- und Achtziger-Jahren zu einer grandiosen Blüte gebracht haben, sind mittlerweile selbst Ursache dieser Fasnachtsbedrohung geworden. Es gibt nicht nur einfach zu viele platte, einfallslose Musigen, die in den gleichen, abgegriffenen Glitter- und Fötzelkleidern, mit dutzendfach identischen Köpfen (Grinden) und unter banalen Strick-Käppis daherkommen und ein Repertoire pflegen, das aus den immer gleichen Stücken besteht.
Wäre die Luzerner Fasnacht zehnmal grösser, würde es dies ertragen – wie es doch gerade eine Qualität und Spezialität der Luzerner Fasnacht ist, ohne Regeln und ohne Vorschriften einer möglichst grossen Fasnachtsentfaltung Platz zu bieten. Nur auf dem engen, städtischen Raum führt die lawinenartige Entwicklung der letzten Jahre zu einem Erstickungstod der eher feinstofflichen Fasnachtsäusserungen.
Ein wesentlicher Grund für die Entfremdung und Banalisierung der Fasnacht ist, dass Luzern an den drei Tagen massenweise von auswärtigen Musigen heimgesucht wird. Oftmals besteht deren einzige Anstrengung in der Busreise, derweil Kostüm, Masken und Musikstücke von der Abwesenheit jeglicher Kreativität zeugen.
Die Luzerner Fasnacht ist Strassen- und, wichtig, Beizenkultur. Selbstverständlich bleibt das Beizenwesen von der jüngsten Fasnachtsentwicklung nicht verschont. Die unliebsamen Folgen treten unterschiedlich auf. Viele Restaurants erhöhen die Preise exorbitant, ohne entsprechende Gegenleistung zu bieten (sollten zudem die Absichten gelingen, die Luzerner Fasnacht noch mehr zu einem Argument der Fremdenverkehrswerbung zu machen, dürfte dieser Trend noch verstärkt werden). Problematisch ist eine andere, neue Entwicklung, dass Beizen angesichts dieser Brachialgewalt gar nicht mehr öffnen (wie beispielsweise das Traditions-Restaurant „Wilder Mann“).
Die Fasnacht ist heute sogar zu einem Sicherheitsproblem geworden. Metergrosse, sperrige Wagen, gefährliche Installationen und menschenüberfüllte Plätze regen Politiker an. Es drohen Gesetze oder unliebsame behördliche Massnahmen.

Wir sind die Dachvereinigung verschiedener Masken-Gruppen mit langjährigen Luzerner Fasnächtlern. Uns schmerzen diese Beobachtungen und wir möchten dazu beitragen, diese negative Entwicklung zu stoppen.

Konkret möchten wir:

– zur Kreativität anregen
– den Intrigierenden den Rücken stärken
– die Zusammenarbeit mit den Stadtbehörden suchen
– die Neustadt als weiteres Fasnachtszentrum aktivieren
– die Fasnächtler zum Maskenmachen und -tragen motivieren
– die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Gruppen und Einzelnen suchen

Luzern, im August 1993

Quelle: www.kult-ur-fasnacht.ch